Nach weniger als zweieinhalb Jahren endete am 15. September die Amtszeit Gerardo Seoanes bei Borussia Mönchengladbach. Vom Ende eines vorbildlichen Beamten.
Ein Kommentar von Florian.
Zwei Jahre Depression
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, aber es spricht nicht für die Bilanz von Borussias nunmehr ehemaligen Cheftrainer, dass viele Fans ein Testspiel gegen Stuttgart vor zwei Jahren als bestes Spiel in Erinnerung behalten werden: Mit einer damals erfrischenden Zielstrebigkeit und neuem Tempo (Ngoumou im Halbraum!!!) zerlegte man die Mannschaft von Sebastian Hoeneß. Brachte Seoane das ersehnte Upgrade zum wenig dominanten Ballbesitzspiel Farkes?
Heute wissen wir: Die Entscheidung für den Schweizer war ein ignoranter Fehlgriff.
Wer von Borussias Vorderen sich im Sommer 2023 wirklich für diesen erstbesten Namen ausgesprochen hat, ist eine Frage für die Vereinschronisten. Fest steht in jedem Fall, dass sportliche Kompetenz kein Leitfaden bei dieser Entscheidung gewesen sein kann: Seoane setzte die Arbeit Farkes nicht pragmatisch fort, sondern entkernte Borussias Mannschaft fußballerisch. Durch einen bis zuletzt einfallslosen Fokus auf Vertikalität mutete die sportliche Führung dem Team eine taktische Magerkur zu, die in Seoanes erster Saison fast im Abstieg endete.
Seoane versuchte es in seiner Amtszeit zwar immer wieder mit neuen Impulsen, wirkte dabei aber eher wie ein mittlerer Angestellter, der pflichtschuldig umzusetzen versucht, was er bei der letzten Fortbildung gelernt hat, als ein Fußballtrainer mit klaren Überzeugungen und Prinzipien. Seine Mannschaft scheiterte so nicht nur am von Spanien abgeguckten Positionsspiel, sondern auch am mannorientierten Pressing und ist bis heute auch kein Umschaltteam.
Im Großen und Ganzen durchlebte Borussia unter Seoane gut zwei Jahre mal akuter, aber immer latenter Depression. Wer sich nicht damit abfinden konnte, dass der Fußball beliebig bis grausam war, stieg frustriert ganz aus. Alle anderen wurden mit minimalsten Dosen Glück so lange fitgespritzt, bis ihnen alles egal war. Borussia schmierte nie ernsthaft ab, die Stimmung kippte nie vollständig: Immer wenn es so aussah, als wäre Seoane fällig und als würde die Tortur enden, kam der VfL Bochum oder Werder Bremen zu Hilfe – bis jetzt.
Seltsam unbeteiligt
Taktisch wird Seoane kaum Spuren hinterlassen. Er verwaltete den Stillstand, wirkte häufig seltsam unbeteiligt. Wie der Stellvertretungslehrer, dessen einzige Aufgabe es ist, dass sich keiner wehtut und niemand verloren geht, betreute er die ihm vom Geschäftsführer anvertraute Gruppe von Fußballern mehr oder weniger technokratisch. Er verabschiedete Abgänge, begrüßte Neuzugänge, leitete das Training und stellte elf Spieler auf. Dabei war er zu den meisten, die nicht Florian Neuhaus hießen, stets korrekt und medial zudem unauffällig. Ein für lange Zeit vorbildlicher Beamter im Denkmalamt Borussia Mönchengladbach.
Indem Seoane nie aneckte und bereitwillig dazu beitrug, dass Entwicklung zum bloßen Selbstzweck wurde, passte er fast zu gut zum Verein. Diesem ist nun zu wünschen, dass er endlich wieder jemanden findet, der so gar nicht zu ihm passt.


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