Zwischen Spektakel und Stabilität: Die Spielidee von Gerardo Seoane bei Borussia Mönchengladbach
Wenn man die Spiele von Borussia Mönchengladbach unter Gerardo Seoane betrachtet, bleibt vor allem ein Eindruck: Es ist kompliziert. Die Fohlenelf präsentiert sich als das vielleicht widersprüchlichste Team der Bundesliga: Der Saisonstart begann mit Merkmal auf Ballbesitz. Stöger und Plea bildeten in der 3-2-4-1 Formation eine spielerische Doppel-Zehn. Als Vorbild dafür nannte Trainer Seoane in der Sommervorbereitung Europameister Spanien. Die Ergebnisse blieben aus und spätestens im Oktober 2024 nach der Niederlage in Augsburg (2:1), wich man in Gladbach wieder davon ab und ging über in den Umschaltfokus: Am Spieltag darauf, beim Heimsieg gegen Heidenheim (3:2), kam Hack für Stöger in die Startelf – die Dynamik änderte sich im 4-2-3-1 nun zugunsten des Teams, aber eben auch gegen den Fußball, der mehr Ballbesitz und damit eingehend Kontrolle generieren sollte. Nach und nach fingen die Fohlen jedoch an gezielte Elemente einzupflegen – in benannter Konstellation: Weigl, Reitz – Honorat, Plea, Hack – Kleindienst. Eine Gruppe aus Spielern, welche sich in einer Dynamik gut ergänzten und verschiedene Rollen im Offensivspiel besetzen. Spätestens mit der Einbindung von Sander, der nach Reitz’ Ausfall Ende Januar 2025 ins Team kam, hatte man das Gefühl: Borussia fängt an, die angesprochenen Dinge von der Sommervorbereitung im Ballbesitz umzusetzen: Ballzirkulation – und damit ein wenig mehr Kontrolle in einem sonst sehr vertikal ausgerichteten Spiel. Nach 34 Spieltagen muss man sich allerdings fragen: Was genau ist davon übriggeblieben und war tatsächlich Entwicklung; und was muss nun passieren, damit die Zukunft weiterhin eine Basis hat. Ein Versuch, diese Dinge zusammenzufassen – von @denizguelr.
Die Grundidee: Umschaltmomente und vertikale Spielweise
Gerardo Seoane setzt bei Borussia auf eine Spielweise, die stark auf Umschaltmomente und vertikale Spielzüge ausgerichtet ist. Die Idee dahinter: Nach Ballgewinn schnell und direkt nach vorne spielen. Ein legitimer Ansatz, der auf den ersten Blick pragmatisch erscheint, aber tatsächlich hohe Anforderungen an die Spieler stellt.
In der Anfangsphase der Saison funktionierte dieser Ansatz durchaus. Mit hoher Intensität im Gegenpressing und schnellen Balleroberungen gelangen regelmäßig gefährliche Umschaltaktionen. Spieler wie Rocco Reitz brachten dabei die nötige Energie ins Spiel, um diesen Stil zu ermöglichen. Genau dieser Motor im Mittelfeld zeigt, warum Seoanes Idee bei optimaler Umsetzung funktionieren kann – Reitz‘ Fähigkeit, Bälle frühzeitig abzufangen und direkte Impulse nach vorne zu setzen, verkörpert die Kernidee dieses Spielstils.
Die Konterstärke: 4-2-3-1 und Mannorientierungen als Basis
Wenn Gladbach unter Seoane funktioniert, dann oft im Konterspiel. Das 4-2-3-1 war einer der großen Neuerungen in dieser Saison, als man in der letzten Spielzeit erst im 5-3-2 und später im 5-4-1 agierte. Das 4-2-3-1 / 4-4-2, welches durch das mannorientierte Fallen von Honorat in die Abwehrkette auch in dieser Saison oft eine dynamische Fünferkette herstellte, ist eine typische Konterformation. Zwei Flügelspieler, unterstützt von hinter- und überlaufenden Außenverteidigern, ein klassischer Zielspieler als Stürmer für erste Bälle, und ein Hybrid-Zehner/Neuner, der diese Dynamiken vereinen, kombinieren und einsetzen soll. Bei Beobachtung der Spiele fallen folgende Stärken auf:
- Honorats Tempo: Honorat konnte oft sein Tempo ins Spiel bringen, wenn Gladbach irgendwo im ersten oder mittleren Drittel den Ball gewann. Sinnbildlich ist sein Tor im Heimspiel gegen Werder zum 3:0, oder seine Vorlage gegen den SC Freiburg im eigenen Stadion zum 1:0.
- Plea als Hybrid-Zehner/Neuner: Der 32-Jährige konnte in dieser Saison wieder überzeugen. Er glänzte als Verbindungselement im Konterspiel und schaffte es gleichzeitig der geeignete Partner für Tim Kleindienst zu sein. Plea schwamm um ihn herum, attackierte den Strafraum – gleichzeitig ist er als Vorbereiter jemand, der seinen Radius rund um den Strafraum hatte und somit Kleindienst den nötigen zentralen Raum gab. Außerdem bot Plea als weiterer Abschlussspieler eine zusätzliche Lösung für seine Mitspieler an: Während Kleindienst vor allem nach hohen Flanken gefährlich wurde, konnte Plea über den flachen Pass gefunden werden und zum Abschluss gelangen.
- Laufvolumen und die zweite Welle: Das Nachrücken von Borussias Achtern, wie Sander und Reitz schafften Überzahlsituationen im Rückraum und eröffneten weitere Passoptionen. Dies erzeugte zusätzlich Torgefahr: Sander durch weiteres Passspiel – Reitz durch Dribblings in den Strafraum, wie zum 2:0 Treffer gegen TSG Hoffenheim.
Diese Stärken zeigen sich jedoch nur, wenn das Team nicht zu tief steht. Borussias Konterversuche verlieren durch eine zu tiefe Verteidigungshöhe oft an Qualität – mehrere Spieler versuchen dann über lange Solo-Läufe viel Fläche zu überqueren, scheitern aber durch die nummerische Unterzahl in der gegnerischen Restverteidigung – und an den physischen Defensivspielern des Gegners.
Das strukturelle Problem: Die vertikale Streckung und fehlende Pressingwinkel
Wo liegt nun also das Problem? Warum funktioniert Seoanes Spielidee nicht konstant? Die Analyse mehrerer Spiele offenbart strukturelle Schwächen:
- Die vertikale Streckung: Bei Druck des Gegners fällt die Abwehrkette zu schnell und zu tief zurück, während sich die vorderen Spieler noch im Versuch des Pressingvorgangs befinden. Die Fohlen versuchen im mittelhohen Pressing Druck zu erzeugen, verlieren jedoch durch die tiefe Abwehrlinie die Kompaktheit. Das Ergebnis sind Löcher zwischen den Linien, die kaum zu kompensieren sind.
- Die fehlende Staffelung: Aus einer vermeintlichen 4-2-3-1 Formation, wird schnell ein 5-4-1, weil im Laufe des Spiels Borussias Ketten immer flacher verteidigen. Die Mannorientierung, die Honorat als defensive Aufgabe hat, sorgt dafür, dass er mit dem gegnerischen Flügelspieler in Gladbachs Abwehrkette fällt, wenn dieser hochschiebt. Die ursprüngliche Tiefenstaffelung geht verloren, und die Spieler stehen in einer Linie – also flach. Dies macht es sehr schwierig, Druck auf den ballführenden Gegner auszuüben, weil die nötigen Pressingwinkel fehlen. Die Folge: Gladbach fällt zunehmend mit Spielverlauf in ihrer Positionshöhe und steht tief. Dokumentiert wird das auch in dieser Saison mit Daten: Borussia hat die wenigsten Pressingsequenzen pro Spiel aller Bundesligisten (im Schnitt 8,2 pro Spiel). Gleichzeitig beginnt kein anderes Team ihr Pressing aus einer tieferen Position als Gladbach: 39,1m vom eigenen Tor entfernt. Zum Vergleich: FC Bayern München auf Platz Eins mit 46m. Verbindet man die Schwächen in der Ausübung des Pressings und der damit folgenden Positionstiefe auf dem Spielfeld, schlussfolgert sich folgende Erkenntnis: Die Fohlen kommen nicht aus ihrer Spielhälfte raus, sodass die Gegner relativ schnell zur Dominanz und Spielkontrolle gelangen. Als Musterbeispiel taugt das Auswärtsspiel in München im Mai (2:0) – welches hier analysiert wurde.

- Mangelnde Spielkontrolle: Borussia hatte sowohl in der aktuellen als auch in der vergangenen Saison die viert-wenigsten Aktionen im letzten Drittel. Das zeigt, dass es an nachhaltiger Ballkontrolle und Dominanz mangelt. Ein Grund: Der Trainer mag die vorhin angesprochene Direktheit im Spiel. Umso vertikaler man passt und läuft, desto zügiger spielt ein Team. Dagegen spricht jedoch, dass auf diesem Wege kaum kontrollierte Aktionen zu Ende gebracht werden können. Und das Team ist meist darauf ausgerichtet die eingeleiteten Aktionen und Situationen auf schnellem Wege zum Abschluss zu bringen – keine Unterbrechung, oder gar ein Abbrechen des Angriffs. Zwar wurden die Fohlen in dieser Saison etwas geduldiger, was sich auf die Spielkontrolle im mittleren Spieldrittel auswirkte, gleichzeitig haben die Fohlen im Vergleich zur Vorsaison noch weniger Aktionen im gegnerischen und finalen Drittel verbucht – obwohl die Ballbesitzquote insgesamt zunahm.
| Ballkontakte erstes Drittel | Ballkontakte mittleres Drittel | Ballkontakte letztes Drittel | Ballbesitz in % | |
| 23/24 | 232 (Pl. 1) | 266 (Pl. 9) | 123 (Pl. 13) | 46,8 (Pl. 9) |
| 24/25 | 244 (Pl.1) | 275 (Pl. 7) | 119 (Pl. 15) | 49,6 (Pl. 9) |
Die Phasen des Erfolgs: Die entscheidenden Faktoren
Es gab Phasen, in denen Seoanes System sehr gut funktionierte. Besonders im Februar und März 2025 zeigte die Mannschaft eine positive Entwicklung, die vor allem mit mehreren Faktoren zusammenhing:
- Die Rolle von Philipp Sander: Der Mittelfeldspieler brachte in seiner besten Form die Fähigkeit mit, Ballzirkulation zu ermöglichen und das Spiel zu beruhigen – ein Element, das Seoanes vertikalem Ansatz eher widerspricht, ihn aber sinnvoll ergänzt. Der Mittelfeldallrounder ist wichtig für Gladbachs Ballbesitz und stabilisiert die zweite Linie, sodass in vielen Phasen der direkte, lange Ball nicht nötig war. Zusammen mit Ko Itakura, Nico Elvedi und Julian Weigl konnten die vier zentralen Spieler für ballbesitz-stabilisierende Elemente sorgen. Während Weigl sich vor allem über seine Position im Zentrum definierte – entweder zwischen beiden Innenverteidigern oder klassisch auf der Sechs – kippte Sander seitlich regelmäßig ab. So konnten die Fohlen über die Zirkulation in der Breite vom Druck weg spielen. Die Breite machte dahingehend Sinn, weil Borussias zentrumsfokussierte Positionen von Itakura, Elvedi, Weigl, Plea und Kleindienst viele Gegenspieler bindeten. Auf dem Flügel hatten sie somit mit abkippenden Bewegungen personelle +1 Überzahl. Beispielhaft dafür war das Auswärtsspiel in Bremen – welches hier analysiert wurde.

- Pressingintensität von Tim Kleindienst: Angeführt wurde das kollektive und leicht erhöhte Anlaufen von Tim Kleindienst. Der Stürmer ist dafür prädestiniert, weil dieser mit seiner Intensität Druck auf Ball und Gegenspieler erzeugte und gleichzeitig seine Mitspieler, vor allem in den besten Phasen Kevin Stöger – als Plea verletzt ausfiel – neben sich mitzog. Die beiden konnten aufgrund ihrer clever eingesetzten Deckungsschatten und ihrer Intensität im Anlaufen teils bis vier Gegenspieler rausnehmen. Das erleichterte der Doppel-Sechs ihre Defensivarbeit, sodass sie in Teilen passiver und im Raum verteidigen bzw. absichern konnten. Das Auswärtsspiel in Stuttgart im Februar (1:2) war beispielhaft dafür – welches hier analysiert wurde.

- Die Dynamik von Rocco Reitz: Wenn Reitz in seiner optimalen Position spielt, kann er mit seiner Athletik und seinem Timing beim Abfangen von Bällen den Unterschied machen. Der Achter kann seine Athletik unter Beweis stellen und fängt viele Bälle frühzeitig ab. Eine höhere Position, wie beim Auswärtsspiel in München, tut ihm eindeutig gut. Diese konnte Weigl in dieser Phase – auch im Defensivspiel über seine feste Positionsdisziplin ausgleichen, sodass sich Reitz in seiner mannorientierten Spielweise in vorderen Blöcken austoben durfte.
- Balance zwischen Intensität und Kontrolle: Fasst man die ersten drei Punkte zusammen, stellt man fest, dass die Fohlen die nötige Intensität in der Defensivarbeit und folglich im Konterspiel und gleichzeitig trotzdem genug Spielkontrolle im Ballbesitz hatten, um sich als Ganzes auszubalancieren. Letzteres wird dokumentiert durch die gestiegenen Spielanteile im mittleren Spielfelddrittel: 275 Kontakte pro Spiel stehen in dieser Saison zur Buche und bedeuten im Ligaranking Platz 7. Zur letzten Saison konnte man damit also neun Kontakte mehr pro Spiel aufweisen. Die zunehmende Ballzirkulation macht sich auch in der Ballbesitzquote bemerkbar, trotz Leistungsabfall ab April: Die Fohlen erzielten zur Vorsaison ein Plus von 3,1% (46,8% zu 49,6%).
Die statistische Realität: Alles oder nichts
Diese statistische Konstanz bei gleichzeitigem Gefühl von Instabilität ist bezeichnend für Borussias Spiel seit zwei Jahren. Sie erinnert an das, was Xabi Alonso über Seoanes Bayer Leverkusen bei seiner Übernahme auf der Antrittspressekonferenz gesagt hat:
„In jeder Spielphase ist immer alles möglich – für und gegen Leverkusen.“
Die Daten unterstreichen das widersprüchliche Bild. Vergleicht man die Expected Goals (xG) und Expected Goals Against (xGA) der aktuellen Saison mit der Vorsaison, zeigen sich nahezu identische Werte. Der Unterschied: In der Vorsaison blieb die Mannschaft unter dem Erwartungswert, dieses Jahr liegt sie leicht darüber.

Dies hängt vor allem mit Tim Kleindienst und Moritz Nicolas zusammen. Während man die Schussgenauigkeit auf das gegnerische Tor zur Vorsaison um 5% steigerte, schuf Nicolas (und später auch Cardoso) einen PSxG prevented-Wert von +4,5 – nur zwei andere Bundesligisten haben einen höheren Wert. Der krasse Kontrast in beiden Statistiken zur Saison 23/24 macht sich bemerkbar, wenn man diese gegenüberstellt:
| Schussgenauigkeit auf das Tor in % | PSxG prevented | |
| 23/24 | 31,9 (Pl. 11) | -8,6 (Pl. 17) |
| 24/25 | 37 (Pl. 3) | +4,5 (Pl. 3) |
Tim Kleindienst hat Borussias Effizienz massiv beeinflusst. Der Mittelstürmer ist im Gegensatz zu Cvancara klarer in seiner Positionierung bei Flankenhereingaben und zu Jordan Siebatcheu explosiver in der Sprungkraft – und ist deutlich präsenter beim Attackieren der Flanke. Datentechnisch lässt sich vergleichen:
Während Cvancara und Jordan Siebatcheu in der letzten Saison deutlich seltener ihre Schüsse auf das Tor abgaben, hebt Kleindienst den Schnitt in dieser Saison quasi alleine an.
| Schussgenauigkeit auf das Tor in % | |
| Kleindienst 24/25 | 53,6 |
| Cvancara 23/24 | 38,2 |
| Jordan Siebatcheu 23/24 | 33,3 |
Die bemerkenswert höhere Schussgenauigkeit bei Tim Kleindienst – mehr als die Hälfte seiner Schüsse gelangen auf das Tor – lässt sich vor allem durch sein Spielstil erklären und ist gar keine individuelle Qualität, im Sinne von: Kleindienst verfügt über eine bessere Schusstechnik, als die beiden anderen. Sondern: Kleindienst attackiert deutlich aggressiver und vor allem öfter den Strafraum – und befindet sich somit bei der Schussabgabe deutlich näher am Tor. Das wiederum erhöht die (Tor-) Wahrscheinlichkeit, den Ball auf das gegnerische Gehäuse bringen zu können.
Bedenkt man, dass man mit Franck Honorat einen Offensivspieler hat, der im Spiel der Fohlen die meisten Chancen kreiert, ist allein diese Tatsache ein wichtiger Bestandteil in der Analyse. Honorats Flanken hatten endlich einen gezielten Abnehmer. Trotzdessen, dass die Borussia weiterhin einen Mangel an Präsenz im letzten Drittel – also somit auch im Strafraum des Gegners – hat, konnte das Pärchen im Zusammenspiel herausragen.
| Schusserzeugende Pässe pro 90´ (Key Passes) | Torvorlagen pro 90´ | Geschlagene Flanken pro 90´ | |
| Honorat 24/25 | 0,88 (Pl. 8) | 0,44 (Pl. 3) | 4,4 (Pl. 7) |
Die Zukunftsperspektive: Entwicklungspotenzial oder Sackgasse?
Will Borussia den unter Seoane eingeschlagenen Weg fortsetzen, braucht es weitere Entwicklungsschritte:
- Ein echter Zehner: Ein Spielmacher, der sich über Position und Spielrhythmus definiert, nicht ein „Hybrid-Zehner“ wie Plea oder Stöger. Denn dieser Zehner würde mehr Pässe zwischen den Linien empfangen und das Spiel weiter fortsetzen.
- Neue(r) Innenverteidiger und Sechser: Spieler, die das Spiel durch Präsenz, Athletik und Physis auch in der gegnerischen Hälfte halten können. Hier zeigt Fabio Chiarodia bereits erste Ansätze. Der Innenverteidiger wirkt sehr spritzig im raus verteidigen aus der Kette und beweist zunehmend, dass er den athletischen und physischen Anforderungen der Bundesliga gerecht wird. Zudem ist seine Passtechnik, sowie seine Entscheidungsfindung mit Ball am Fuß auf hohem Niveau.
Mit Julian Weigl haben die Fohlen einen Sechser, der sich in seinen besten Zeiten über die Rhythmusbestimmung auszeichnete. Von diesem Spieler ist nicht mehr allzu viel zu sehen; außerdem ist sein Mangel an Physis und Athletik im heutigen Fußball – und vor allem in dieser Liga – ein zu großes, um eine solche Zentralfigur in einer Mannschaft sein zu können. Philipp Sander ist eigentlich ein Achter, könnte aber diese Komponenten im Zweifel ausfüllen – Und: In Kiel machte dieser eine Doppel-Sechs mit Lewis Holtby funktional.
Borussias Talent, Niklas Swider, zeigt vielversprechende Anlagen – ihn zeichnet eine hervorragende Vororientierung aus. Auch sein Körper ist bereits in der Entwicklung verhältnismäßig weit – mit seinen langen Beinen ist er prädestiniert dafür Bälle abzufangen. Dieser könnte perspektivisch die optimale Besetzung für die Sechser-Position sein. Kurz- und mittelfristig täte ein Transfer gut, sollten sich dafür die wirtschaftlichen und personellen (man bedenke die Überflutung an Spielern im zentralen Mittelfeld) Rahmenbedingungen ergeben. - Höhere Abwehrkette: Ein grundsätzliches Umdenken in der defensiven Ausrichtung, weg vom tiefen Fallen hin zu mehr Aktivität und Risikobereitschaft. Dazu benötigt es präsente Pressingauslöser in Zonen, in denen man Gegenspieler lenkt und anschließend gruppentaktisch zugreift. Personell sind Spieler wichtig, die es aufgrund ihrer Spielweise und ihrem Profil gewohnt sind höher zu verteidigen. Innenverteidiger sind im modernen Fußball schnell, robust, athletisch und im Idealfall qualitativ gut in der Spieleröffnung. Elvedi und Itakura sind auf ihre Art und Weise gut, in Kombination beider allerdings zu passiv und physisch schwach, um eine konstant-höhere Linie zu spielen. Eine Analyse zu den beiden findet ihr hier.
- Kontrollierte Spielelemente: Spielerprofile und Spielertypen sind das Eine, Trainer und ihre Spielanlagen das Andere. Gerardo Seoane müsste sein Spiel als Ganzes beruhigen, um Momente und Phasen in der gegnerischen Spielhälfte zu generieren.
Fazit: Wild – manchmal sogar spektakulär, aber nicht stabil – und vor allem konstant genug
Seoanes Fußball ist im Optimalfall spektakulär. Er sorgt für Spannung. Ständig gibt es Aktionen – in beide Spielrichtungen. Auch wenn diese Aktionen in Summe in seiner zweiten Saison abnahm, ist Borussias Spielkern immer noch deutlich zu erkennen: Aktionen forsch rausspielen und diese ohne Unterbrechung zu Ende bringen. Die Vorteile sind klar: Seoanes Mannschaften sind ständig und zu jeder Spielphase in der Lage torgefährlich zu werden. Dieses Spiel schafft es, dass Spieler, wie Robin Hack, die zuvor in ihrer Karriere keine Bundesligatauglichkeit nachweisen konnten, plötzlich anfangen zu scoren. Der Flügelstürmer konnte seine Scoreranzahl der Vorsaison (12 = 10+2) in der Bundesliga auch in dieser Saison bestätigen (4+8).
Die entscheidende Frage für die Zukunft wird sein, ob dieser Ansatz verfeinert werden kann oder ob er in seiner Grundstruktur zu anfällig ist. Der Widerspruch zwischen dem Wunsch nach defensiver Stabilität und einer Spielanlage, die grundsätzlich auf Risiko und vertikales Spiel setzt, bleibt bestehen.
In einer perfekten Seoane- und Gladbach-Welt könnte ein Torverhältnis von 60:50 sinnbildlich dafür sein, wie dieser Fußball zum Erfolg führt. Der Weg dorthin ist jedoch noch weit. Auch, weil der Fußball, als es anfing erste kontrollierende Elemente einzupflegen, sofort zusammenbrach, als Philipp Sander ausfiel. Außerdem sind noch zu viele Fragezeichen zu klären: Wie ersetzt man die Ausfälle bzw. Verkäufe von Schlüsselspielern, wie Kleindienst, Itakura und Co.? Welche Schlüsse zieht man aus der anlaufenden Analyse im Verein? Und ganz sicher entscheidend wird sein: Wie startet Borussia in die neue Spielzeit? Der Druck wird, nach zuletzt 5 Niederlagen und insgesamt 7 sieglosen Spielen in Folge, von Beginn an ziemlich groß sein.
Langweilig wird es rund um unsere Borussia also nicht!
Eine Analyse von @denizguelr.


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