Nico Elvedi und Ko Itakura sind seit Wochen in Form. Während Nico Elvedi nach längerer Durstrecke seit 24/25 wieder eine konstant-gute Saison spielt, befindet sich Ko Itakura bis auf sehr wenige Ausnahmen seit seiner Ankunft durchgängig auf hohem Niveau. Gegen RaBa Leipzig konnten sie zudem statistisch überzeugen: Nico Elvedi gewann 7 seiner 9 (Luft-) Zweikämpfe, verzeichnete 13 geklärte Aktionen und zwei Tackles. Gewohnt sicher war er zudem in seinem Passspiel: Bei 63 Ballkontakten und 40 gespielten Pässen steht eine Passquote von 95% zur Buche – nur Willi Orban hat von allen startenden Spielern einen besseren Wert. Ähnlich konnte auch Ko Itakura mithalten, der trotz seiner vertikaleren Passausrichtung dennoch eine Passquote von 91% erzielt hat. Jedoch zeigten beide beim Heimsieg gegen den Europa-Konkurrenten seit langem, womit sie vor allem auffallen: Mit Antizipationsfähigkeiten – die nicht unbedingt in Statistiken abzulesen sind.
Eine Analyse von @denizguelr.

Nico Elvedi – Borussias Urgestein blüht nochmal auf
Es gibt sie, die Innenverteidiger – besonders im modernen Fußball – die oft in Top-Teams verteten sind: Die athletischen und physischen Maschinen. Denkt man beispielsweise an Upamecano und Min-jae Kim von Bayern München oder William Saliba bei Arsenal – alle vereint, dass sie ihrem Gegenspieler körperlich überlegen sind und im Tempo mit den schnellsten Spielern der Welt mithalten können. Dies ist die Basis dafür, dass sie sehr mutig und offensiv verteidigen können. Selbst Spieler, wie Nico Schlotterbeck (BVB) oder Virgil van Dijk (LFC), die pyhsisch mit den besten Innenverteidigern der Welt mithalten können, aber nicht das „high-end“ Tempo mitbringen, wie andere – profitieren von ihrem Nebenmann, der dies auffängt – um ebenfalls aggressiv rausverteidigen zu können.
Borussias aktuelle Innenverteidiger gehören nicht zu diesen Spielern. Nico Elvedi und Ko Itakura sind keine langsamen, aber eben keine schnellen Innenverteidiger. Beide, vor allem Elvedi, haben physisch aufgebaut – sind aber auch in dieser Kategorie sicherlich nicht die Musterbeispiele dafür, wie man seinen Gegenspieler im Körperduell bezwingt.
Gladbachs Innenverteidiger-Duo verteidigt gerne im Raum – haben den defensiven Gedanken im Sinn: Wo und vor allem wie könnte ich tendenziell überspielt werden? Welche Vorkehrungen kann ich dafür treffen? Während aggressive Innenverteidiger diese Szenen frühstmöglich unterbinden wollen – und damit auch Risiken eingehen – verteidigen passive Innverteidiger den Raum in der Tiefe frühzeitig.
Nico Elvedi ist so ein Innenverteidiger. Im hohen Anlaufen gegen RaBa war er besonders in den ersten 15 Minuten gefragt. Immer wieder musste er auf Leipzigs Zehner Baumgartner durchpressen, weil Gladbachs Sechser von Haidara und Xavi Simons in breiten Positionen gebunden wurden. Der Innenverteidiger schob zwar vorne durch – doch er antizpierte immer die nächste Aktion, um den Ball nicht in einem direkten Zweikampf gewinnen zu müssen, sondern über den räumlichen und zeitlichen Vorteil. Durch vorzeitige Absetzbewegungen hatte er den zeitlichen Vorteil, um aus dieser Konsequenz heraus den Raum zu verteidigen, die seine Gegenspieler mit Laufwegen attackierten.
Wenn er in Situationen gelangt, in denen er eindeutig in einen Defensivzweikampf muss – bei großen Räumen – gelangt der Schweizer an seine athletischen Grenzen. Auch, weil er nicht die pure Aggressivität verköpert, die in einem direkten 1vs1-Duell vonnöten wäre.
Im tiefen Block, wenn die zu verteidigenden Räume kleiner sind, traut sich Elvedi deutlicher vorzuverteidigen. Denn: In diesen Zonen sind weniger Tempovorteile von Wichtigkeit, sondern die kleinen Schritte, die Richtungswechsel forcieren können. Der 28-jährige kann sich schnell drehen und somit agile Gegenspieler – mit ihren flinken Richtungswechseln und Tempoverschärfungen – gut verteidigen. Die Antizipation ist dabei immer seine treibende Kraft – Bewegungsdynamiken der Gegenspieler sind in der Wahrnehmungsspanne des Schweizers stark vertreten.
Generell ist Elvedis Qualität von Wahrnehmung und Entscheidungsfindung in defensiven Bereichen sehr stark ausgeprägt. Im obigen Beispiel schafft der Innenverteidiger es, Opendas Laufweg frühzeitig – nach Ballverlust der eigenen Mannschaft – zu adaptieren, um über die Absetzbewegung den Raum zu kontrollieren. So vermeidet Elvedi ein 50/50-Laufduell gegen den schnellen Stürmer (läuft in der Endgeschwindigkeit 36,6 km/h).
Kann Elvedi in engen Räumen verteidigen, so ist er auch stark und wendig genug, um 1vs1-Duelle zu bestreiten. Der Innenverteidiger schafft es seinen Körperschwerpunkt beizubehalten und diesen zu dominieren, sodass der Gegenspieler keine Tempoverschärfung aufnehmen kann.
In der Spieleröffnung ist Nico Elvedi nicht dafür bekannt, die linienbrechenden Pässe zu spielen. Seine, schon seit Jahren hohen Passquoten resultieren daraus, dass er viel horizontal spielt, aber eben auch, weil er sehr oft anspielbereit ist. So setzt er sich auch im Ballbesitz häufig ab, um anspielbar für den ballführenden Mitspieler zu sein. Die Ballzirkulation hält er unter anderem dadurch aufrecht. Ist Elvedi allerdings in einer Situation isoliert gezwungen vertikal zu spielen, so zeichnet ihn gerade in kurzen Distanzen eine gute Passtechnik aus, sodass seine Mitspieler den Ball gut temperiert und in den richtigen Fuß bespielt bekommen. Der Kontrast zu Itakura wird vor allem dann deutlich, wenn Pressingresistenz gefragt ist. In diesem Themen ist Elvedis Innenverteidiger-Partner deutlich stärker, sodass progressive Pässe in der Anzahl und Qualität besser gespielt sind.
Ko Itakura – Borussias Abwehrchef
Auch Ko Itakura definiert sich nicht hauptsächlich über seine Physis und Athletik, sondern über seine generelle Antizipationsfähigkeit. Dennoch ist der Japaner in den direkten Duellen aggressiver. Itakura verteidigt zwar nicht häufiger vorwärts durch, dafür spritziger. Denn der 28-jährige ist im Antritt schneller, als Nico Elvedi.
Zurück zur Stärke und absoluter Qualität beider Innenverteidiger. Gegen Leipzig musste also auch Itakura gegen den schnellen Openda verteidigen. Egal, ob in hohen oder tiefen Spielfeldzonen, Ko Itakura analysiert die Situation in jeder Millisekunde neu und antizpiert. Bei hohem Anlaufen löst er sich früh von seiner Mannorientierung, weil er erkennt, dass der Gegner seinen Mitspieler entweder nicht anspielen kann, oder eben nicht anspielen will – sondern lang schlägt. Über einfache Absetzbewegungen gewinnt auch Itakura also räumliche Vorteile und fängt so Bälle ab.
Itakuras eben beschriebene, ständige Neu-Analyse hilft ihm, um sich in neuen Situationen gut aufstellen zu können. Die obige Szene zeigt auf, dass Itakura in seiner Manndeckung gegen Openda erkennt, dass Simons im Rücken von Reitz früh entwichen ist und zudem viel Freifläche belaufen kann. Dadurch, dass er Opendas Laufweg frühzeitig adaptiert und aufgenommen hat, hat er auch in der neuen Situationen einen räumlichen Vorteil – also Raumkontrolle, um Simons in der Umorientierung mit einem Tackle zu verteidigen. Itakura dreht sich smart und wendig mit seinem Körper um 180 Grad, und hat plötzlich Openda im Rücken – Simons vor den Augen.
Fazit: Gladbachs Zentrum ist ein Spinnennetz
Generell ist Borussias Zentrum ein Spinnennetz – voll von Spielern, die ständig Bälle abfangen. Das betrifft nicht nur die Innenverteidiger, sondern auch die Doppel-Sechs davor. Mit Ko Itakura und Julian Weigl haben die Fohlen zwei Spieler im Zentrum, die sich in den Top15 der meist-abgefangenen Bälle der Bundesliga befinden. Und mit Rocco Reitz einen, der pro 90 Minuten hochgerechnet die sechs-meisten Bälle aller Bundesligapspieler abfängt. Dass die Abfangquoten so hoch sind, ist auch ein strukturelles Thema. Borussia steht in (mittel-) tiefen Blöcken sehr kompakt und hat dadurch gewisse Vorteile darin. Es ist aber auch eine Bestätigung dafür, dass Borussias zentrale Spieler sehr antizipationsfähig sind. Die genannten vier Spieler fangen von insgesamt zehn Feldspielern über die Hälfte der Bälle pro Spiel ab (56,4% ).
| Anzahl abgefangene Bälle im Borussia-Ranking – pro Spiel | |
| BMG insgesamt – pro Spiel | 39,7 |
| 1. Reitz – pro Spiel | 6,8 |
| 2. Itakura – pro Spiel | 5,4 |
| 3. Elvedi – pro Spiel | 5,2 |
| 4. Weigl – pro Spiel | 5 |
Sowohl Ko Itakura, als auch Elvedi haben einen Schritt in dieser Saison gemacht:
Der eine nimmt in der Präsenz und im Einfluss auf das Spiel der Mannschaft sehr viel Raum ein – Itakura ist für das Ballbesitzspiel gleichermaßen wichtig, wie für die defensive Stabilisation. Der andere konzentriert sich auf die Basics und darauf, was er schon immer gut konnte: Einen Schritt voraus denken und dadurch glänzen, dass Situationen gar nicht aufkommen, in denen er was bereinigen müsste. Nico Elvedi spielt seit 2019 seine beste Borussia-Saison. Das darf gerne so weiter gehen!
Eine Analyse von @denizguelr (BlueSky).
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