Borussia zirkuliert sich zum Sieg – Taktikanalyse SVW vs BMG (2:4)

Borussia Mönchengladbach gelingt historisches und gewinnt das vierte Auswärtsspiel in Folge. Das Team von Gerardo Seoane siegt in Bremen mit 2:4 und beißt sich damit weiter oben fest. Mit Platz 7 und 40 Punkten verabschieden sich die Fohlen in die Länderspielpause. Nach 26 Spielen ist das ein Punkteschnitt von 1,53 und würde nach 34 Spielen einen Gesamtpunkteschnitt von 52 Punkten bedeuten. Diese Dimensionen klingen danach, als könnte es am Ende für die Top7 reichen. So performen die Fohlen auch – gerade auswärts.

Aufstellungen: Gladbach hat seine gelb-gesperrten wieder; Bremen vermisst seinen

Bei den Gastgebern musste Trainer Ole Werner den gelb-gesperrten Mitchell Weiser ersetzen. Fraglich war, ob Kabore oder Köhn den Zuschlag bekommen würden. Werner entschied sich für Kabore und hatte mit ihm gegen den Ball eine besondere Rolle. Dazu später mehr. Sonst spielte die selbe Elf, wie in Leverkusen, die den amtierenden Meister auswärts 0:2 schlug.
Seoane tauschte wiederholt die Zehner-Position aus; nach Stögers Startelfeinsatz gegen Mainz durfte nun wieder Plea, wie auch schon beim Auswärtsspiel in Heidenheim, ran. Gerardo Seoane ließ im Interview vor dem Spiel beim Pay-TV-Sender „Sky“ durchblicken, dass Plea in der Trainingswoche nach Heidenheim leichte Probleme mit seiner Verletzung davor hatte – dies könnte eine Erklärung für den Rotationstausch gegen Mainz 05 in letzter Woche sein. Ansonsten kehrten erwartungsgemäß die gelb-gesperrten Abwehrspieler Scally und Itakura für Lainer und Friedrich zurück.

Borussias Staffelung im Ballbesitz: 4-2-4

Die Fohlen waren in ihrer Staffelung im Ballbesitz- und Positionsspiel, wie üblich, variabel unterwegs. Zwischen 3er- und 4er-Aufbau und Rotationsmustern im Zentrum, sowie auf den Flügeln wechselten die Fohlen zwar auch in diesem Spiel variabel, doch nicht so frei, wie sonst. Das 4-2-4 war konstant in ihrer Staffelung. Ullrich schob höher, Scally tendenziell tiefer. Werder hatte einen Plan dagegen: Man schob Kabore höher, um Gladbachs doppelte Flügelbesetzung auf links zu doppeln. Aus ihrer gewohnten 5er-Kette wären die Wege für den Flügelverteidiger zu weit – sofern man im Pressing im vordersten Block nichts anpasst. So konnte Kabore früh auf dem Sprung Richtung Ullrich agieren und Pieper zur Seite rausschieben gegen Hack. Schmid ließ sich von Scallys flacher Position höher rausziehen, während Stage und Lynen manndeckend gegen Weigl und Sander verteigten. So versuchte Bremen im Zentrum alles zu schließen und Gladbach auf die Flügel zu lenken. Bei seitlichen Pässen auf Ullrich fingen die Pressingauslöser an – gerade in den ersten 5 Minuten waren die Auslöser häufig zu beobachten. Dann ging Werder in volle 1vs1-Manndeckung-Zuteilungen über und presste bis zum Torwart durch.

Borussias Ballzirkulation in der ersten Halbzeit; Quelle: Wyscout

Gladbach konnte damit gut umgehen. Die Ballzirkulation war durche eine hohe Passqualität in den ersten 30 Minuten gegeben. Wenn Bremen ins Pressing über ging, spielte Gladbach zurück über die Innenverteidiger zu Torhüter Omlin, der das Pressing der Stürmer Burke und Silva ausspielen konnte, weil sich Gladbachs Innenverteidiger seitlich absetzen konnten. So fand Omlin die Passwinkel. Im Anschluss daran waren die typischen Bewegungsmuster auf dem Flügel zu erkennen: Ullrich am Ball – Weigl kommt zur Unterstützung – Hack fällt vom Flügel: Durch die Flügelraute kombinierte sich Borussia durch und verlagerte meist auf die ballferne Seite (entweder über Scally, oder wenn möglich direkt auf Ngoumou). Außerdem half Gladbach die Streckung der Abwehrkette im Aufbauspiel, sodass Silva meist die Intensität im Pressing nicht abrufen konnte, um Itakura wirklichen Balldruck aufzwingen zu können. So konnte Omlin über Verlagerung von Ullrich und Elvedi relativ einfach weiter auf Itakura spielen.

Plea findet Zwischenlinien und BMG bewegt sich clever

Pressingansatz Werder Bremen vs Gladbachs Lösungen über Plea

Wenn Werder hoch presste hatten sie das Problem, dass sie in Unterzahl im Mittelfeldzentrum (gelb markiert) waren. Stage und Lynen manndeckten Weigl und Sander – Plea ließ sich im Halbraum tief fallen, sodass Veljkovic einen zu weiten Pressingweg gehen müsste, um den Spielmacher zu kontrollieren. Das Team von Ole Werner versuchte die numerische Unterzahl zu kaschieren, in dem die Sechser rechtzeitig durchschoben, als Lynen ballfern ins Zentrum einrückte und Stage auf Plea fiel – und im besten Fall hat Burke Weigl im Deckungsschatten. Diese Abläufe konnten sie kaum integrieren, weil Gladbach ein hohes Ball- und Passtempo an den Tage legte.

Borussias Bewegungen in Abstimmung; Quelle: Wyscout

Gladbach bewies auch gegen Bremen, wie harmonisch sie sich in Kombinationen bewegen können. Scally und Ngoumou wissen, wann ersterer einrückt, und wann letzterer aus der Breite fallen kann – Plea oder Sander kommt dann im Dreieck als Verbindung dazu. Auf der linken Seite sind die Bewegungen im Timing noch stärker und sogar besser aufeinander abgestimmt. Ullrich und Hack verstehen es sehr gut in verschiedenen Positionsaufteilungen (mal Ullrich breit, mal Hack – dann schiebt der andere in Halbräume) für Laufwege in gegensätzlichen Bewegungen zu sorgen, sodass sie regelmäßig Durchbrüche auf der Seite hatten. So entsteht der Einwurf und das folgende Angriffsspiel beim 0:1 Führungstreffer, der den Elfmeterpfiff provoziert. Auch dabei zeigen sich Hack und Kleindienst im Timing sauber – reißen die Lücken und belaufen diese.

Neutralisationsphase

Nach der Anfangsviertelstunde neutralisierte sich das Spiel etwas. Werder kam zu ersten Ballbesitzmomenten – hatte dabei aber keine Ansätze. Gladbach spiegelte, wie immer, den Gegner und manndeckte jeden im Zentrum. Ngoumou, Kleindienst und Hack pressten die Dreierkette im Aufbau, während die Außenverteidiger Scally und Ullrich auf dem Sprung agierten, um Agu und Kabore zu pressen.

Passmap Werder Bremen; Quelle: Wyscout

Gladbach gelang es das Zentrum zu kontrollieren und Werders Spiel über ihre Sechser bzw. Achter zu vermeiden. Die Passmap zeigt, wie wenig Interaktionen Bremens Mittelfeldakteure – in Verbindung zur Angriffslinie, aber auch zu den Innenverteidigern hatten. Die Gastgeber mussten über die horizontale Ballzirkulation recht früh auf die Flügel spielen, in denen sich Agu und Kabore in isolierten Duellen gegen Scally und Ullrich wieder fanden. Besonders Hack hatte im Pressing ein gutes Gespür für seine Ursprungsposition und das Timing, um auf Innenverteidiger Pieper zu springen, der im tiefen Aufbauspiel flach auffächerte.

Bremen stellt um – und kehrt zurück ins Spiel?

Bremen stellte nach ca. 25 Minuten um und gleichte die vorherige Unterzahl im Mittelfeldzentrum aus: Schmid wich vom Flügel ins Zentrum, um Sander zu decken – sodass sich Lynen auf Plea konzentrieren konnte. Das sorgte dafür, dass sich Werders Flügelverteidiger Agu und Kabore in einer klaren Zuteilung gegen Gladbachs Außenverteidiger gegenüberstanden. Spielte Gladbach weiter ihre Zirkulation über die Abwehrkette aus, presste Schmid seitlich auf Scally duch, sodass Agu wieder in die Abwehrkette fiel, weil er derjenige ist, der Ngoumous Tempo kontrollieren kann.

Passmap Bor. Mönchengladbach; Quelle: Wyscout

Die Borussia fing daraufhin an vermehrt Bälle in die letzte Linie zu spielen, da die Zwischenlinien kalt gestellt waren. Insbesondere Hack wurde immer wieder in seinen Abkippbewegungen vertikal gesucht, der von Elvedi bespielt wurde. Bremen schaffte es, durch Pressingbewegungen vorwärts (Pieper) und rückwärts (Kabore) Hack zu doppeln, der keine Anspielstation unter dem Ball – oder eine Tiefenoption zur Verfügung gestellt bekommen hat. Hacks Passfehler, der zu einem Konter und anschließend zum Freistoßtor führte, war nur die Konsequenz aus mehreren Versuchen. Bremen kam in den Folgeminuten noch zu einer großen Torchance durch Agu, als Kabore sich am Flügel im 1vs1 gegen Ullrich durchsetzte und Gladbachs Unterzahl am zweiten Pfosten ausnutze, als Kabores Flanke über einen Umweg Agu blank wieder fand. Es wurde in der Folge wild für Borussia, als Werder Ballgewinn an Ballgewinn anreihen konnte. Der Halbzeitpfiff, trotz der umstritten Elfmeterentscheidung für Werder – den Silva ins Tor traf – kam für Borussia zur richtigen Zeit.

Zweite HZ: Spiel wird erst wild – dann findet Borussia wieder ihre Zirkulation

Borussia fing an aggressiv zu pressen. In der gewohnten Struktur erhöhte sich die Pressingintensität im vorderen Block. Das führte zu vielen Ballverlusten von Werder und sorgte gleichzeitig für die Entstehung des 3. Treffers von Alassane Plea, als Borussia Torwart Zetterer durchpresste, der in Folge lang schlagen musste. Itakura gewann das Kopfballduell gegen Silva – sodass aus der folgenden Ballzirkulation Gladbach Profit schlagen konnte und Plea vor Zetterer vorfand. Die Minuten danach waren davon geprägt, dass sich ein Ballverlust nach dem anderen aneinanderreihten. Besonders Werder Bremen hatte mit der Pressingintensität von Seoanes Elf zu kämpfen. So entstanden fünf Ballverluste im Gladbacher Angriffs- und Mittelfeldrittel, die zu Kontermöglichkeiten für die Gäste führten. Gleichzeitig bekam man das Tempo von Ngoumou selten kontrolliert, der Jung und Agu im Rücken davon lief.
Bremen ließ sich darauf ein und konnte selbst nach Ballgewinnen torgefährlich werden, als ein verunglückter Abschlag von Omlin schnell auf den Flügel gelenkt worden konnte und Agu den Ball hinter die gestreckte Abwehrkette schlug, in der Stage hineinlief – dessen Kopfball tropfte an Gladbachs Latte ab. Als Ole Werner Stürmer Njinmah für Silva einwechselte, steigerte man damit die umschaltlastigen Phasen.
Die Fohlen konnten sich nach dem einen oder anderen halbgefährlichen Angriff von Werder erholen und zurück in ihre Zirkulationsphase einfinden. Das vierte Tor ist ein Paradebeispiel dafür: In 41 Sekunden Ballbesitzphase und 17 Pässen kann Tim Kleindienst eine weltklasse Vorlage von Plea verwerten und für die Vorentscheidung sorgen.

Borussias 41 Sekunden Ballbesitzstaffete mit 17 Pässen; Quelle: Wyscout

Fazit: Borussia braucht noch mehr Zirkulation – und einen, der vorne den Ballbesitz sichert

Borussias Spiel am Ball wird immer besser. Die Ballzirkulation befindet sich mittlerweile auf einem hohen Niveau. Dieses Urteil attestiert der Borussia auch Sportjournalist und Taktikliebhaber Tobias Escher in unserer neusten Podcastfolge „#146 – Im Nebelhorn – svwBMG“: „Vielleicht ist Borussia aktuell die beste Ballzirkulationsmannschaft der Liga“. Werder Bremen fand nur sehr schwer Zugriff gegen den Ball – in einem Heimspiel, nach einem Sieg in Leverkusen. Und muss dabei sehr hohes Risiko, in Form von Manndeckungen auf dem ganzen Platz, gehen, um zurück ins Spiel zu kehren. Ein großes Lob für Bor. Mönchengladbach. Um den nächsten Schritt gehen zu können, braucht die Borussia ballbesitzsichernde Fußballer – die das Spiel konstant in die gegnerische Spielhälfte verlagern können. So würde Borussia die vielen Phasen umgehen, in denen es schnell wieder in die eigene Torrichtung geht. Zehner, Achter, Sechser – oder Stürmer – Borussia wird die Lösung entweder intern, oder extern auf dem Transfermarkt finden müssen. Dann kann die Borussia aus einem Europapokalanwärter bald auch wieder ein Dauergast im internationalen Fußball sein.

Eine Analyse von Deniz.

2 Antworten zu „Borussia zirkuliert sich zum Sieg – Taktikanalyse SVW vs BMG (2:4)”.

  1. Avatar von "Wir müssen 90 Minuten leiden" - MillernTon

    […] Spielern sofort attackiert – dieser Aufbau-Stil ist sehr schön und ausführlich in einem Artikel von Borussia Xplained […]

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  2. Avatar von Saisonanalyse 24/25: Welche Erkenntnisse bleiben sportlich hängen? – BorussiaXplained

    […] Die Rolle von Philipp Sander: Der Mittelfeldspieler brachte in seiner besten Form die Fähigkeit mit, Ballzirkulation zu ermöglichen und das Spiel zu beruhigen – ein Element, das Seoanes vertikalem Ansatz eher widerspricht, ihn aber sinnvoll ergänzt. Der Mittelfeldallrounder ist wichtig für Gladbachs Ballbesitz und stabilisiert die zweite Linie, sodass in vielen Phasen der direkte, lange Ball nicht nötig war. Zusammen mit Ko Itakura, Nico Elvedi und Julian Weigl konnten die vier zentralen Spieler für ballbesitz-stabilisierende Elemente sorgen. Während Weigl sich vor allem über seine Position im Zentrum definierte – entweder zwischen beiden Innenverteidigern oder klassisch auf der Sechs – kippte Sander seitlich regelmäßig ab. So konnten die Fohlen über die Zirkulation in der Breite vom Druck weg spielen. Die Breite machte dahingehend Sinn, weil Borussias zentrumsfokussierte Positionen von Itakura, Elvedi, Weigl, Plea und Kleindienst viele Gegenspieler bindeten. Auf dem Flügel hatten sie somit mit abkippenden Bewegungen personelle +1 Überzahl. Beispielhaft dafür war das Auswärtsspiel in Bremen – welches hier analysiert wurde. […]

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