Warum Borussia so viel besser ist als in der letzten Saison

Foto: Imago

Nach 28 Spieltagen der Bundesliga kann man bereits festhalten, dass die Fohlen eine deutlich erfolgreichere Saison spielen als noch im vergangenen Jahr. Ein wirklicher Fachmann braucht man für diese Vorhersage nicht zu sein, da die Fohlen zum aktuellen Zeitpunkt bereits 10 Punkte mehr auf dem Konto haben, als nach 34 Spieltagen der vergangenen Spielzeit. Warum das so ist, wie sich das faktisch darstellt und was Mut ausmachen kann, dass es kein Zufallsprodukt ist, versucht Marc zusammenzufassen.

Roland Virkus trifft eine mutige Entscheidung

Die Stimmen nach der vergangenen Saison waren laut. Viele erwarteten, dass Gerardo Seoane mit den Fohlen nicht in die Spielzeit 24/25 starten würde. Nach dem Abschneiden der Vorsaison mit 34 Punkten, einem enttäuschenden 14. Platz und der endgültigen Rettung erst am vorletzten Spieltag deutete viel darauf hin, dass die Borussia eine Neuausrichtung wählen würde. Auch wir waren von der Art und Weise, wie unser Herzensverein in der letzten Saison auftrat, nicht überzeugt und glaubten nicht wirklich an eine weitreichende Besserung. Wie es im Fußball nunmal sein kann, irrten wir uns. Zum Glück. Roland Virkus bewies genau das, was in der Branche Profifußball selten ist: Mut und Überzeugung, den Weg mit einem wenig erfolgreichen Trainer weiter zu gehen. Ein vergangener Trainer unseres Vereins würde rückblickend vermutlich von der Resilienz sprechen, diese schwere Situation auszuhalten und weiter an das gemeinsame Projekt zu glauben. Der Glaube daran, den Verein wieder in erfolgreiche Gefilde zu bewegen. Der Weg dahin war ähnlich mutig, wie auch strategisch clever.

Besonders bemerkenswert ist auch, dass Virkus es geschafft hat, ein leidiges Thema der Vergangenheit in Gladbach frühzeitig zu klären. Kein wichtiger Spieler aus dem Kader hat einen im Sommer auslaufenden Vertrag mehr, alle Entscheidungen wurden früühzeitig geklärt und es herrscht eine gewisse Planungssicherheit und man läuft keine Gefahr, wichtige Spieler ablösefrei im Sommer zu verlieren, was in der Vergangenheit leider zu oft passierte. Eine Situation, die einem Club wie Borussia Mönchengladbach, der auf Spielerverkäufe und daraus resultierende Einnahmen, angewiesen ist.

Wichtige Personalentscheidungen

Bereits vor Beginn des Sommertransferfensters gab man die Verpflichtung von Philipp Sander bekannt, dem die Transfers von Tim Kleindienst und Kevin Stöger folgten. Man braucht zu allen dreien nicht viel schreiben, denn jeder Borussiafan dürfte die drei ins Herz geschlossen haben. Nicht nur aufgrund der sportlichen Leistung, sondern auch aufgrund der menschlichen Ebene, die diesem Kader gut tat und tut.

Mit Tim Kleindienst kam ein Spieler dazu, der die absolute Gier nach Toren verkörpert, aber auch ein unermüdlicher Arbeiter ist und in vielen Spielphasen mit gutem Beispiel vorangeht. Das Auswärtsspiel bei St. Pauli jüngst zeigte wieder diese Komponenten, als der Nationalspieler im zweiten Durchgang defensive Kopfballduelle in der eigenen Box führte und Zweikämpfe um jeden Meter an der eigenen Eckfahne führte. Natürlich sind seine 15 Tore und 5 Vorlagen enorm wichtig für das Team, jedoch wird er häufig auch sehr darauf reduziert, obwohl er deutlich mehr mitbringt. Clevere Winkel im Anlaufen, unermüdliches Anlaufen und Arbeiten gegen den Ball und eine Strafraumpräsenz, die in Deutschland ihres Gleichen sucht, sorgten am Ende dafür, dass er in der Nationalmannschaft zum Stammspieler wurde.

Philipp Sander, der vom Aufsteiger Holstein Kiel zu Borussia stieß, ist der Sechser, der Borussia fehlte. Er ist zwischen den Strafräumen präsent, intelligent im Positionsspiel und lernte auch bei Borussia immer mehr, den Rhythmus zu bestimmen. Neben Rocco Reitz und Julian Weigl auf regelmäßige Einsatzminuten zu kommen, hätten ihm vermutlich viele nicht zugetraut und dennoch hat er sich seinen Platz im Kader erkämpft. Besonders in der verletzungsbedingten Abwesenheit von Rocco Reitz war er eine verlässliche Stütze in Borussias starkem Jahresbeginn.

Kevin Stöger ist in dieser Aufzählung mit Sicherheit der Spieler, der den Erwartungen der meisten Fans ein wenig hinterherhängt. Dies liegt zum einen daran, dass Alassane Pléa (mal wieder) zwei bis drei enorm starke Phasen in der Saison zeigte und zum anderen daran, dass Stögers Kreativität nicht immer so eingebunden wurde, wie er es benötigen würde, um voll aufblühen zu können. In Spielen wie in Bochum (0:2) oder bei Union Berlin (1:2) auswärts zeigte er jedoch, was er Borussia geben kann. Die clevere Positionsfindung Stögers zwischen den Linien sorgt dafür, dass der Spielmacher eine potenzielle Gleichzahl in eine Überzahl ummünzt. Diese Fähigkeit half ihm dabei einige sehr gute Spiele für die Fohlen absolviert zu haben.

Ein weiterer Neuzugang kam quasi aus den eigenen Reihen mit Lukas Ullrich. Der junge Linksverteidiger, den die Fohlen vor geraumer Zeit aus Berlin holten, drängte sich durch seine Leistungen in der U23 in der Regionalliga West nicht unbedingt auf. Umso bemerkenswerter ist die Art und Weise, mit der das junge Talent seit der Verletzung von Luca Netz und der daraus resultierenden Chance für ihn, seine Leistungen Woche für Woche zeigt. Er hat sich innerhalb kürzester Zeit auf der Position gegen Netz durchgesetzt, der in der vergangenen Saison unangefochten war, wenngleich nicht immer fehlerfrei. Die beiden jungen Berliner konkurrieren seither für den Posten des linken Verteidigers, obwohl Ullrich dank vor allem seiner kompletteren Spielanlage die Nase zurecht vorn hat. Doch auch diese Entscheidung basierte auf dem Mut, den jungen, unerfahreren Berliner ins Rennen zu schicken und nicht etwa Joe Scally auf die linke Defensivseite zu ziehen, wie wir es zuvor des Öfteren sahen.

Zudem gab es auch einige Entscheidungen im Kader, die sich nicht spürbar positiv auf den Kader auswirkten, jedoch strategisch absolut sinnvoll waren. Der Verkauf von Manu Kone am Deadline Day war wirtschaftlich absolut notwenig, um die Transfers, bei denen man in Vorleistung ging, zu realisieren und gegen zu finanzieren. Auch wenn sein Abgang sportlich einen Verlust bedeutete, fehlt er dem Spiel von Borussia in dieser Spielzeit nicht spürbar. Bedenkt man, dass Manu Kone durchaus verletzungsanfällig war und lediglich in knapp über 50% der Minuten in der vergangenen Spielzeit zum Einsatz kam, war ein Verkauf unabdingbar und auch sinnvoll. Mit Christoph Kramer verzeichnete Borussia einen Abgang während der Saison, bei dem man sich dazu entschied, einen Spieler, der im Kader keine wirkliche sportliche Perspektive hatte, gehen zu lassen, um auch neue Spieler in Führungsrollen zu bringen und ihnen mehr Verantwortung zu geben. Neben den karrierebedingten Abgängen von Jantschke und Herrmann waren somit Plätze frei für Spieler wie Elvedi, Weigl, Omlin, Kleindienst und Co. noch mehr Führung zu übernehmen und damit noch wichtiger zu werden.

Die Torwartsaga

Es ist fast schon bizarr, was Borussia in dieser Saison auf der Torhüterposition erleben musste. Mit Jonas Omlin als klare Nummer 1 ging man in die Saison und musste schnell merken, dass dieser leider immernoch sehr von Verletzungen geplagt war und erneut über ein Drittel der bisher möglichen Spielminuten nicht zur Verfügung stand. Mit Jan Olschowksy, Moritz Nicolas und Tobi Sippel hatte Borussia in vielen dieser Spiele ein Überangebot an Torhütern. Moritz Nicolas, der Jonas Omlin überragend vertrat, stellte Gerardo Seoane erneut vor ein Problem, als der verletzte Kapitän zurückkehrte. Doch auch hier bewies Borussia, vor allem Trainer Seoane, Mut und setzte auf Nicolas, der seine Sache sehr gut machte. Jedoch wurde auch Nicolas durch eine Verletzung ausgebremst. Nach der Leihe im Winter von Olschowsky zu Alemania Aachen, stand Borussia zunächst mit Omlin eigentlich gut dar, jedoch wurde dieser erst nach einer Rotsperre und dann einer erneuten Verletzung zum Zuschauen gezwungen. Die designierte Nummer 3 in Borussias Kasten – Tobi Sippel – zeigte jedoch, dass er lange nicht gespielt hatte und schlichtweg nicht mehr das Bundesliganiveau, was ihn jahrelang zurecht zu einer hervorragenden Nummer 2 hinter Yann Sommer machte, hat.
So traf Gerardo Seoane erneut eine mutige Entscheidung und warf den jungen Tiago Pereira Cardoso ins Rennen, der das Vertrauen bislang mit sehr guten Leistungen rechtfertigt.

Auch wenn diese Konstellation letztlich positiv für Gladbach endete, hatte dieses Thema Potenzial zu einer negativen Entwicklung für Borussias Saison zu sorgen. Doch die gute Nachwuchsarbeit und das gute Scouting, besonders auf der Torwartposition, sorgten dafür, dass Borussia keine größeren Sorgen bekam, obwohl 2 Stammspieler auf einer essenziellen Position wegbrachen.

Die nackten Fakten

Schaut man sich Borussias Werte abseits der Punkte an, so fällt schnell auf, was Borussia besser macht. Kurzum sind sie gefestigter und spielen kontrollierter. Ein katastrophales Torverhältnis von 56:67 resultierte vor allem aus einigen „Freak-Spielen“, wie wir sie gerne nennen, in denen Borussia es kaum schaffte, Kontrolle in Spielphasen zu kriegen und das Spiel somit zu beruhigen. Besonders deutlich zeigt sich dies in zurückgewonnen Bällen: Aktuell 46,6 pro Spiel zu 57,8 pro Spiel aus Vorsaison, man kann also sagen, dass die Fohlen deutlich kompakter nach Ballverlust agieren und weniger auf den Gegenpressingmoment gehen, der auch immer ein gewisses Risiko für das „Überspieltwerden“ mit sich bringt.

Besonders in der aktuellen Saison wird deutlich, dass Borussia immer noch Phasen hat, in denen sie das Spiel nicht kontrollieren können, wie zum Beispiel beim Gastspiel in Bremen vor der Pause. Jedoch gibt es vor allem auch deutlich mehr Phasen, in denen man mehr Ballbesitz hat und kontrollierter agiert, um Situationen vorzubereiten. So überzeugte man gegen Gegner wie Stuttgart (Auswärtssieg), Union (Auswärtssieg) oder auch Heidenheim (Auswärtssieg) besonders aus dem Positionsspiel heraus. Die aktuelle Tordifferenz von 45:41 zeigt zwar keine klare Dominanz, jedoch gab es lediglich einmal in dieser Saison mehr als 3 Gegentore (5:1 in Wolfsburg), was in der vergangenen Saison gleich drei mal passierte.

Zudem stand man in der vergangenen Spielzeit am Ende bei knappen 47% Ballbesitz mit einer Passquote von etwas 81%, was aktuell in der Saison 24/25 bereits 50% Ballbesitz mit 83% Passquote sind. Auch wenn diese Werte nicht sonderlich unterschiedlich wirken, zeigen sie vor allem, was Borussia gelernt hat: Ballbesitz spart Kräfte für die Arbeit gegen den Ball, beruhigt das Spiel und bereitet gefährliche Offensivaktionen vor. Es bleibt jedoch ein Problem, wenn Borussia in Mannorientierung gepresst wird. Nicht zuletzt das Gastspiel bei St. Pauli zeigte (Deniz analysierte hier), dass die Fohlen noch nicht jede Situation mit kontrolliertem Ballbesitz lösen können.

Entwicklungspotenzial

Die Borussia hat sich im Vergleich zur letzten Saison zweifelsohne im Punkt Spielkontrolle verbessert, wenngleich sie in dieser Komponente noch lange nicht an der Perfektion kratzt. Die Fohlen erspielen sich jedoch prozentual deutlich mehr Großchancen als noch in der Vorsaison aus: Mit 2,7 Großchancen/12,2 Schüsse im Spiel. Im Vergleich dazu standen in der Vorsaison noch 2,3 Großchancen/13,4 Schüsse im Spiel. Ein weiterer Indikator dafür, dass Gerardo Seoane und sein Team Situationen besser vorbereiten und weniger Abschlüsse nehmen, die geringere Erfolgsaussichten haben.

Nichtsdestotrotz muss die Devise sein, im Ballbesitz noch dominanter zu werden, um Spiele noch mehr kontrollieren zu können. Dennoch verzeichnen sie im Schnitt 5 Ballverluste pro Spiel weniger, was zeigt, dass sie sich in weniger gefährliche Situationen bringen und mehr Kontrolle über den eigenen Ballbesitz haben. Dennoch ließen sie mehr Schüsse nach Fehlern zu (13 aktuell – zu 8 in der Vorsaison), wenngleich diese Fehler seltener zum Gegentor führten, wo man in der vergangenen Saison 7 mal hinter sich greifen musste und in der aktuellen Spielzeit erst einmal. Dass die Ballverluste weniger geworden sind, während mehr Fehler zu Schüssen des Gegners führten, lässt vor allem darauf schließen, dass man mehr Risiko in erster Linie im Aufbau nimmt, was jedoch den Ertrag mit sich bringt, im Verbindungsspiel und höheren Ballbesitzphasen mehr freien Raum zu haben. Spieler wie Stöger und Plea werden dann in diesem Situationen extrem wichtig und müssen zwangsläufig gut eingebunden sein, was vor allem mit Plea in letzter Zeit sehr gut gelingt.

Auch wenn Borussias Saison deutlich erfolgreicher verläuft als die letzte Spielzeit, muss das Ziel sein, Spiele, in denen man nahezu chancenlos wirkt, wie zuhause gegen Augsburg oder auch zuletzt bei St. Pauli, auf ein Minimum zu reduzieren. Ergebnisse, wie bei St. Pauli kann man nicht immer aus so einem Spiel ziehen können. Es wird also spannend zu sehen sein, wie Borussia sich in den verbleibenden 6 Bundesligaspielen präsentieren wird. Selbst wenn wir alle natürlich verständlicherweise vom Einzug in einen europäischen Wettbewerb träumen, sollten wir happy damit sein, anders als in der vergangenen Saison überhaupt von solchen Sphären wieder träumen zu dürfen und nicht am letzten Spieltag mit bangem Blick nach Bochum oder Heidenheim blicken zu müssen.

Hinterlasse einen Kommentar