Foto: DO IT NOW Media
Seit Anfang Feburar steht fest: Borussia Mönchengladbach verstärkt sich zur neuen Saison 25/26 mit dem 21-jährigen Jens Castrop. Der Mittelfeldspieler kommt vom Zweitligisten Nürnberg und soll ca. 4,5 Mio. Euro kosten. In der Video- und Datenanalyse geht es um den Spieler Castrop: Was kann der zentrale Mittelfeldspieler; was ergänzt er zum bisherigen Personal und wen ersetzt er sogar? All das und mehr von @denizguelr.
Position: Zentrales Mittelfeld – als Achter
Ein Blick auf die Einsätze in dieser Saison verdeutlichen, wo Jens Castrop zu Hause ist:
19 von bisher 22 Spielen in der Liga bestritt Castrop im zentralen Mittelfeld. In früheren Zeiten und auch in dieser Saison bekleidete er mal öfter, mal seltener, die Position des Rechtsverteidigers. Ausgebildet ist Castrop jedoch als zentraler Mittelfeldspieler.

Ein Blick auf die Heatmap verdeutlicht zudem, welcher Spielertyp Castrop ist: Er bewegt sich viel zwischen den Strafräumen und fühlt sich auf der linken (Halb-) Seite wohl. Solche Beschreibungen treffen auf „Achter“ zu, die weniger das Spiel aufbauen und Rhythmus bestimmen, sondern viel mehr beschleunigen und nach vorn tragen.
Jens Castrop: Der verspätete Koné-Nachfolger?

Ein Achter, der Borussia Mönchengladbach im Sommertransfer-Fenster 2024 verließ war Manu Koné. Mit Jens Castrop kommt nicht nur ein Spieler, der ihn positionell ersetzt, sondern auch größtenteils vom Spielertyp. Denn die Daten zeigen:
Jens Castrop führt ähnlich viele Defensivzweikämpfe, wie Koné – gleichzeitig wird deutlich, dass beide Mittelfeldspieler gerne dribbeln. Tendenziell läuft Castrop mehr mit und ohne Ball in Spielrichtung (3.5 progressive Läufe pro Spiel), dafür dribbelt Koné öfter (12.6 Dribblings pro Spiel). Sicherlich befindet sich Koné auf einem anderen Qualitätsniveau, das zeigen beispielsweise diverse Passstatistiken und -quoten, allerdings lassen sich die Spielertypen in gewissen Punkten stark vergleichen.
Borussia ergänzt das Mittelfeldzentrum mit neu gewonnenen „Skills“

Geschäftsführer Sport, Roland Virkus, spricht gerne von „Skills“, die ein Transfer dem aktuellen Kader hinzufügen sollen. Mit Jens Castrop gewinnen die Fohlen Skills im Mittelfeld, die sie bis dato nicht besitzen. Das verdeutlichen Daten:
Im Spielervergleich mit Koné wurde bereits deutlich, wie viele Defensivzweikämpfe Castrop führt. Reitz ist bislang derjenige, der diesen Schnitt halten kann – Sander und vor allem Weigl pflegen eine andere Herangehensweise. Deutlicher werden die Unterschiede in der Offensive: Mit 9.5 Offensivduellen ist er der ZM, der die meisten aller im BMG-Kader führt. Der Impact in der Offensive wird zudem deutlich in progressiven Läufen, aber auch in der Anzahl an Dribblings – Rocco Reitz kann sich punktuell annähern; Sander und Weigl sind weit entfernt von diesen offensiven Skills.
Während die anderen, vor allem Sander und Weigl, für kontrolliertes Spiel stehen, ist Castrop der Spieler, der wilder – meist vertikaler – spielt. Diese Spielweise bringt eine gewisse Streuung mit sich. Castrop erhält weniger Pässe und spielt sie tendenziell eher ungenauer weiter. Diese Werte und die, der progressiven Läufe und Dribblings, zeigen auf, dass Castrop mehr der Ballträger, als der Passspieler ist.

Videoscouting: Jens Castrop als Ballträger
Mit Jens Castrop gewinnt die Borussia also einen Ballträger im Mittelfeld, der dieses zu den Passpielern, wie Sander und vor allem Weigl, ergänzt. In den Videosequenzen merkt man schnell, dass der 21-jährige eine hohe Beschleunigung hat und den Ball am Fuß trägt.

Dass Castrop gerne Bälle trägt und durch seine Beschleunigungen mit Ball am Fuß Spielfelder überbrückt, zeigt die Map. Die roten Pfeile verdeutlichen die Beschleunigungen, die schwarzen symbolisieren die angekommen Pässe. Im letzten Drittel sind logischweise weniger Räume für Tempovorstöße möglich, dort platziert Castrop also Pässe. Im mittleren Drittel erkennt man jedoch Castrops Intentionen als Ballträger.
Außerdem spielt er gerne mal einen Doppelpass, um den freien Raum gegen Manndeckungen des Gegners zu attackieren, in dem er diesen anläuft und vom Mitspieler in diesen Räumen eingesetzt wird. Die bereits angesprochene Beschleunigung und Schnelligkeit hinten raus helfem ihm dabei, diese Situationen zu lösen.
Seine Schnelligkeit und Beschleunigung kombiniert der Mittelfelspieler mit seiner lebendigen Art und Weise. Seine Energie hilft ihm, in viele Momente im Angriffsdrittel zu gelangen – Castrop darf allgemein deutlich sauberer werden und muss zudem seine Positionen finden, um mehr Angriffspotenziale zu entwickeln – allerdings kann er mit seiner Aktivität und Energie ein taktisches Spielmittel werden, welches in der zweiten Welle agiert, um den gegnerischen Strafraum aus dem Rückraum zu attackieren.
Defensivspiel: Aktivität und Energie in allen Bereichen
Seine energetische Art verköpert Castrop in all seinen Aktionen – Basis ist jedoch seine konstante Aktivität im Spiel. Die Momente kreiert er mit seinem aktiven Spiel; seine Energie und athletischen Voraussetzungen sorgen dafür, dass er viele Bälle abfängt und in Defensivduelle kommt. Castrop hat relativ kurze Beine, dadurch nutzt er vor allem seinen starken Oberkörper, wenn er in direkten Duellen oder offenen Bällen verwickelt ist. Meistens klaut Castrop die Bälle – im Moment des gegnerischen Dribblings. In solchen Situationen helfen ihm die kurzen Beine, so kann er in den schnellen und kleinen Zwischenschritten des Gegenspielers selbst mithalten.
Sein aktives Spiel hilft, um in Gegenpressingsituationen da zu sein. Seine eben beschriebene Energie ist der wesentliche Antreiber im Pressing. Des Weiteren verköpert er eine Aggressivität, die manchmal auch überschlägt, jedoch seine Verteidigungsart genau beschreibt: Kein abwartendes und überlegtes Defensivspiel, sondern ein direktes Zugehen auf den Gegenspieler.
Entwicklungsbereiche in der Ball- und Passtechnik
Castrop muss sich noch in diversen Bereichen entwickeln, die das Ballbesitzspiel eines Teams beeinflussen. Zum Beispiel befindet sich der junge Mittelfeldspieler zu häufig in Situationen, in denen er beim Aufbauspiel in zweiter Linie eine semioptimale Körperhaltung- und öffnung hat. Diese Situationen isolieren ihn schnell, sodass er beim Pressing des Gegners in schwierige Situationen gelangt. Durch seine frontale Körperhaltung zum Passsender nimmt sich Castrop selbst eine Auftaktbewegung, die eine zweite Bewegung in Spielrichtung ermöglichen könnte.
Größer ist das Entwicklungspotenzial beim ersten Ballkontakt – also bei Ballannahme. Die erschweren eine Spielfortsetzung, wie eben beschrieben, zusätzlich. Meist fehlt im die enge Ballführung im ersten Kontakt, sodass der Ball frontal weg prallt – mit dem Rücken zum Gegenspieler. Der 21-jährige muss sich in diesen Bereichen noch entwickeln, um auch in der Ballzirkulation und später in der Tempoverschärfung ebenfalls eine gute Rolle spielen zu können.
Fußballspielende können nicht alle Spielattribute auf dem selben hohen Niveau ausüben. Es gibt Spielertypen, die neigen zu gewissen Dingen. Ein Achter, wie Jens Castrop, wird vermutlich kein filigraner Passspieler werden, sondern eben seine Stärken im progressiven Laufstil und in der Athletik, sowie seine Power und Kraft weiter entwickeln. Jedoch muss Castrop sich in den Passqualitäten weiter verbessern, um sich auf dem höchsten Fußballniveau Deutschlands zurecht zu finden. Der Neuzugang hat zu viele Ballverluste, durch fehlerbehaftete Passspiele, drin, die dem Gegner häufige Kontersituationen generieren. Besonders in engen Räumen, in denen sich verhältnismäßig viele Spieler aufhalten, leidet seine Passtechnik bei kurzen Distanzen.

Seine generelle vertikale Spielausrichtung ist de facto immer ein gewisses Risiko, welches jedoch nicht zu streng bewertet werden darf. Es ist Castrops Spiel. Dieses einzupendeln macht Sinn, darf aber darüber hinaus nicht vertieft werden. Denn es ist immer Chance und Risiko zugleich: Vertikale Bälle können Linien durchbrechen, gleichzeitig sind sie anfällig für abgefangene Bälle des Gegenspielers. Genau diese Ab- und Einschätzung darf bei Castrop noch trainiert und entwickelt werden.
Fazit: Umschaltzentrale aus der tiefen Position – Jens Castrop
Mit Jens Castrop gewinnt Borussia Mönchengladbach also einen Mittelfeldmotor, der in der Lage ist, das Spielfeld vertikal zu überbrücken. Beschleunigung, Tempo und Energie helfen ihm dabei, sein aktives Spielverständnis zu stützen. Dabei hat der 21-jährige eine gewisse Athletik, die Seoanes Spiel sicherlich gut tun. Denn dieses Spiel ist bei der Borussia, auch in dieser Saison, ein Thema: Seoane mag es weiträumig zu zirkulieren und in Kleingruppen Durchbrüche über die Seiten oder Halbräume zu schaffen. Die Kombination dieser Stilmittel erfordern eine gewisse athletische Präsenz, die Castrop definitiv besitzt. So kann er auch im Umschaltspiel ein Faktor werden: ohne Rocco Reitz, der eher ein Ballklauer, als ein Balltreiber ist, hat die Borussia aus dem tiefen Block keinen Umschaltsechser- oder achter. Mit Julian Weigl haben die Fohlen einen Sechser, der sich über seine Positionsdiszplin definiert und mit Sander einen, der einzelne Laufwege gerne geht – diese jedoch ohne Ball am Fuß. Diese fehlenden Komponenten bringt Castrop ins Gladbach-Spiel hinein.
Entwicklungsbereiche gibt es noch in der Ball- und Passtechnik – mit der nochmaligen Anmerkung, dass vertikale Spielneigungen immer ein gewisses Risiko für Ballverluste bedeuten werden – muss Castrop sich dahingehend noch entwickeln, denn: Borussia Mönchengladbach hat in dieser Saison eine Basis und einen Mix in ihrem Spiel gefunden, der ihre vertikale Spielneigung ausbalanciert und horizontale, sowie rhythmusbestimmte Ballzirkulationen integriert hat.
Generell darf sich Mönchengladbach auf einen Spieler freuen, dem Einsatz und Intensität nicht fremd ist und der einen Spielstil pflegt, der offensivgeprägt ist. Ein Spieler, dem beim zuschauen sicherlich nicht langweilig wird – im positiven, wie im negativen.
Eine Analyse von @denizguelr (auf BlueSky hier zu finden).


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