Gladbachs Defensivspiel raubt Stuttgart die Geduld – Taktikanalyse VfB vs BMG 1:2

Die Fohlen gewinnen erneut zwei Mal in Folge und können nach dem souveränen Heimsieg gegen den abstiegsbedrohten VfL Bochum, nun einen überraschenden Sieg in Stuttgart einfahren. Überraschend nicht nur die Tatsache, das man dort gewann, sondern auch in der Art und Weise, die ein weiteres Mal unterstreicht: Die Borussia ist defensiv stabil und geht mit Ball immer weiter kleine Schritte nach vorn.

Eine Taktikanalyse.

Aufstellungen: Borussia weiter ohne Plea und Honorat – zudem: Roccos Ausfall

Gerardo Seoane musste am vergangenen Wochenende nicht nur Plea und Honorat ersetzen, sondern auch spontan Dauerläufer Reitz im Mittelfeldzentrum. Der Achter habe „einen Befund am Fuß, der operativ entfernt werden muss“ und ergänzte: „Er fällt mehrere Wochen aus.“
Mit Sander besetzte man mit Weigl die Doppel-Sechs. Ngoumou feierte seinen ersten Startelfeinsatz im neuen Jahr und ersetzte Cvancara. Der restliche Mannschaftsteil blieb, wie im Heimspiel gegen Bochum, sodass die Borussia im üblichen 4-2-3-1 / 4-4-2 startete.

Auch Stuttgart musste Chabot (gesperrt) und Karazor (verletzt) ersetzen und reagierte zudem mit mehreren Rotationswechseln, die vermutlich aus der englischen Woche bedingt entstanden sind. Gegenüber dem letzten Bundesligaspiel in Mainz wechselte Hoeneß also insgesamt fünf Mal:
Hendriks für Mittelstädt, Stergiou für Vagnoman, Millot für Karazor, Leweling für Führich und Demirovic für Undav. Stuttgart blieb jedoch in gewohnter 4-2-4 Staffelung.

Aufstellungen beider Teams

Defensivspiel: Seoane klaut Hoeneß die Stürmer

Die Fohlen gingen mutig ins Spiel und spielten den Anstoß über die rechte Seite, um dann lang zu spielen und den zweiten Ball für sich zu gewinnen. So leitete man eine Anfangsphase ein, die ca. 8 Minuten in gegnerischer Hälfte stattfand.
Dabei war auffälig, wie hoch Seoane seine Elf pressen ließ:
Den Abstoß des Gegners spiegelte man in 1vs1-Zuordnung wieder, sodass Elvedi und Itakura direkte Bindungen zu Demirovic und Woltemade hatten. Auffallend war, wie oft die Innenverteidiger in dieser Phase abgefangene Bälle in ihrem Defensivspiel verzeichnen konnten. Beide waren sehr aktiv, wenn Stuttgart aus ihrem tiefen Aufbauspiel vertikale (und flache) Pässe in die letzte Linie spielten, sodass sie vor den Stürmern zum Ball kamen. Stuttgart hat es gerne, dass die Stürmer ihre Gegenspieler im Rücken halten und die bekommenen Bälle im Ablagenspiel weiter forcieren. Elvedi und Itakura verhinderten dies, und konnten insgesamt schon drei Bälle abfangen.

Die Phase endete, als Stuttgart in ihrem Pressing Gladbach den Schneid in ihrem Ballbesitzspiel nahm. Hoeneß spiegelte Seoane in seiner Staffelung und nahm im Mittelfeld Weigl, Sander und Stöger in Manndeckung; Gleichzeitig verteidigten Hendriks und Leweling als Flügelverteidiger gegen Scally und Ullrich, während Larsen und Demirovic Gladbachs Innenverteidiger anliefen.

So kam der VfB spätestens ab der 12. Spielminute zu ihrer gewohnten Kontrolle, welche BMG jedoch vor keine größeren Probleme stellte.
Seoanes Elf war darauf bedacht, mit Sander und vor allem Weigl die Abwehrkette zu schützen, um Passwege auf Stuttgarts Stürmer zu schließen.

Weigl schließt mit Deckungsschatten den Passweg zum Stürmer Woltemade

Hack und Ngoumou hatten die einfache Defensivaufgabe lediglich mit der Positionshöhe der Stuttgarter Außenverteidiger mitzugehen, oder sich fallen zu lassen, sollten diese höher schieben. So standen Kleindienst und Stöger im 2vs4 / 3vs5 im ersten Block. Dies hatte zur Folge, dass die Fohlen vorne Präsenz verloren, diese jedoch bewusst eingegangen sind, um eben die Kontrolle zwischen die Linien zu haben.

Pressingdreieck + Pressingkontrolle im vorderen Block

Denn somit zwang man Stuttgart kleinräumig zu zirkulieren, was lediglich in der horizontalen Linie möglich war. Als Reaktion darauf spielten die Gastgeber vermehrt lange Bälle aus der ersten Linie tief hinter die Abwehrkette der Fohlen.
Übliche Mechanismen, wie z. B. das Entgegenkommen eines Stürmers (Woltemade), um Tiefe im Rücken zu öffnen, hatte Gladbach übersichtlich und aktiv vorverteidigt. Elvedi konnte sich stets rechtzeitig absetzen und Demirovics Läufe kontrollieren.

VfB spielt lang hinter die Kette

Gladbachs Phasen mit Ball: Weigl und Stöger generieren Ballbesitzphasen

Was Tobi in seiner Analyse richtig beschrieb (hier nachzulesen), um den nächsten Schritt gegen größere Teams gehen zu können, wurde bereits paar Tage später Realität. Gladbach war nicht nur defensiv gut eingestellt auf den Gegner, sondern auch in der Lage Ballbesitzphasen zu generieren.
Gladbach baute, wie üblich, in 4-2-3-1 Strukturen auf:
Scally situativ flach; Ullrich eher höher – sodass Hack einrückte, während Ngoumou die Breite hielt. Stöger pendelte zwischen Zehner-Raum zentral und Halbraum, agierte dabei flexibel auf seiner vertikalen Positionshöhe:
Mal band er in letzter Linie Stuttgarts Innenverteidiger Al-Dakhil, sodass Hendriks in der Kette bei Ngoumou bleiben musste (Scally war dann der freie Überzahlspieler im Gladbach Aufbau), sonst ließ er sich auf die Flügel neben Scally fallen, um in der Spielfortsetzung für Überzahl zu sorgen.
Einzelne Abkippbewegungen von Sander und speziell Weigl (am Flügel, um aus der Manndeckung Woltemades zu entfliehen) halfen zusätzlich, um die Ballzirkulation zu gewährleisten.

Wilde zweite Halbzeit: VfBs chaotische Restverteidigung vs BMGs Konterschwäche

Als der VfB mit dem Ausgleichstreffer im Rücken aggressiver und verändert in der Struktur (3-4-3 statt 3-3-4) presste, fing Gladbach früher an lange Bälle zu spielen.
In Seoanes üblichen 4-2-1-3 Staffelungen im eigenen Drittel, ist vor allem die Abwehrkette in engen Abständen zu der Doppel-Sechs verbunden, sodass große Räume im Angriffsblock, rund um Kleindienst, Stöger und auf den Flügeln Hack, sowie Ngoumou herrschen.
In den großen Räumen entstanden 1vs1, 2v2s-Duelle um den zweiten Ball, welche athletische Fähigkeiten erfordern, die Stuttgart in Person von Stiller und Millot nicht vorhanden hat. BMG schaffte es mehrmals sich über den langen Ball über Kleindienst durchzusetzen, der über sein Ablagenspiel Stöger fand. Stöger hatte clevere Positionierungen, als er sich absetzte, um aus der Manndeckung von Stiller zu entfliehen, sodass er für Kleindienst anspielbereit war.

Spätestens ab der 60. Minute wurde das Spiel wild. Der VfB wurde sehr ungeduldig, was dazu führte, dass die Restverteidigung in Kombination mit überhastetem Passspiel destabilisert wurde.
Mit Millot und Stiller hatte Hoeneß eine spielstarke Doppel-Sechs, aber eben jene, die defensive Herausforderungen im Zweifel eher vernachlässigen. Die Fohlen hatten reihenweise schnelle Balleroberungen tief im eigenen Drittel, die mit hohem Laufvolumen (Ullrich, Hack, Ngoumou und Kleindienst fielen vor allem auf) in Kombination mit Stöger als Verbindungspunkt konterten.

Fehlende Konterabsicherung des VfBs pt. 1
Fehlende Konterabsicherung des VfBs pt. 2

Gladbach muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Konter sehr schwach ausgespielt zu haben. Zwischen der 61. und 78. Spielminute konnte man vier vielversprechende Konteransätze mitzählen, die Gladbach sogar teils in Überzahl anging.
Dazu folgten zwei weitere gefährliche Aktionen aus dem Positionsspiel, als erst Kleindienst vor Nübel scheiterte; später jedoch erfolgreich einschob, als Ullrich nach Tiefenpass von Weigl durchbrechen konnte und auf den Torschützen rüber legte.

Lobeshymnen für Elvedi, Itakura und Sander gegen den Ball – für Weigl und Stöger mit Ball

Elvedi und Itakura waren – speziell zu Beginn der Partie – sehr aktiv im Spiel. Beide Innenverteidiger haben Bälle vorzeitig abgefangen (insgesamt kommen beide auf fünf; Quelle: sofascore.de) und später stets eine gute Tiefensicherung gehabt, als der VfB anfing hohe Bälle hinter Gladbachs Abwehrkette zu spielen. Zudem hatte Itakura mit einer Passquote von 92,5% erheblichen Anteil daran, dass die Ballbesitzphasen – bis weit in die zweite Halbzeit hinein – ihre Qualitäten dazu gewonnen haben.
Sander hatte in seinen Startelfeinsätzen diese Saison relativ viele durchschnittliche Spiele dabei gehabt, konnte sich jedoch gegen Stuttgart freischwimmen:
Viele Läufe aus dem Halbraum heraus; und gegen den Ball sehr präsent, wenn es darum ging in den zweiten Bällen aktiv zu sein. Mit 12,1 km war Sander der Spieler, der die zweitmeisten Kilometer abspulte – der nur von Weigl geschlagen werden konnte (12,4 km) und war derjenige, der mit mit 27 Sprints der viertintensivste Spieler auf dem Platz war (Kleindienst, Stergiou und Hendriks hatten mehr Sprints).

Mit Weigl und Stöger hatten die Borussen zwei Spieler auf dem Platz, die hauptverantwortlich für Überzahlsituationen in der ersten und zweiten Phase waren.
Weigls Gespür für Timing der Pässe und Stögers flexible Positionsfindung stabilisierten den Ballbesitz der Fohlen massiv.
Beide waren diejenigen, die bei den Fohlen die meisten Pässe spielten (55 und 54).

Insgesamt also eine sehr runde Leistung der Fohlen, die stets wussten, was defensiv zu tun war und offensiv mit einer gesunden Mischung aus balanciertem Ballbesitz- und Positionsspiel, sowie Konterspiel agierten.

Eine Analyse von Deniz.

Eine Antwort zu „Gladbachs Defensivspiel raubt Stuttgart die Geduld – Taktikanalyse VfB vs BMG 1:2”.

  1. Avatar von Saisonanalyse 24/25: Welche Erkenntnisse bleiben sportlich hängen? – BorussiaXplained

    […] Pressingintensität von Tim Kleindienst: Angeführt wurde das kollektive und leicht erhöhte Anlaufen von Tim Kleindienst. Der Stürmer ist dafür prädestiniert, weil dieser mit seiner Intensität Druck auf Ball und Gegenspieler erzeugte und gleichzeitig seine Mitspieler, vor allem in den besten Phasen Kevin Stöger – als Plea verletzt ausfiel – neben sich mitzog. Die beiden konnten aufgrund ihrer clever eingesetzten Deckungsschatten und ihrer Intensität im Anlaufen teils bis vier Gegenspieler rausnehmen. Das erleichterte der Doppel-Sechs ihre Defensivarbeit, sodass sie in Teilen passiver und im Raum verteidigen bzw. absichern konnten. Das Auswärtsspiel in Stuttgart im Februar (1:2) war beispielhaft dafür – welches hier analysiert wurde. […]

    Like

Hinterlasse einen Kommentar